Education without inspiration is nothing. Education needs inspiration to transfer knowledge into innovative results.

Die These lässt sich ziemlich gut auf eine kurze Formel bringen:

Wissen + Emotion + Sinn = Innovation.

Fehlt Emotion/Sinn (also Inspiration), bleibt das Ganze toter Stoff.

1. Was heißt hier „Education“, „Inspiration“ und „Innovation“?

Education / Bildung

  • Eng verstanden: Vermittlung von Fakten, Methoden, Kompetenzen.
  • Weiter (deutsch „Bildung“): Entwicklung von Urteilskraft, Charakter, Weltsicht, also Fähigkeit, im System „Welt“ lebensfähig zu handeln.

Genau das ist in der System- und Komplexitätslogik von Schließmann die Kernaufgabe von Unternehmens- und damit letztlich auch Bildungsführung: Lebensfähigkeit sichern – als Fähigkeit, mit Komplexität, Unsicherheit und Wandel umzugehen.

Inspiration

Inspiration ist mehr als „gute Laune“ im Unterricht. Sie besteht aus:

  1. Sinn: Ich verstehe, warum das für mich und die Welt wichtig ist.
  2. Emotion: Es berührt mich – ich bin neugierig, begeistert, irritiert.
  3. Vorstellungskraft: Ich sehe eine Möglichkeit, etwas mit dem Gelernten zu machen.

Neuropsychologisch ist das der Moment, in dem Dopamin & Co. Lernprozesse verstärken: Emotion + Bedeutung = stärkere Gedächtnisspuren, mehr Bereitschaft, dranzubleiben.

Innovation

Innovation ist nicht „Ideen haben“, sondern:

Neukombination von Wissen zu etwas Neuem, das in einem System echten Nutzen stiftet.

Schließmann betont, dass dazu gerade Komplexität und Interdependenzen nötig sind: Ohne Vielfalt und nichtlineare Zusammenhänge gäbe es keine echte Evolution, keine Innovation.

Damit ist die Beziehung:

  • Education → liefert Bausteine (Wissen, Tools).
  • Inspiration → aktiviert Sinn, Emotion, Intuition.
  • Innovation → ist das produktive Ergebnis dieser aktivierten Bausteine in einem komplexen Umfeld.

2. Warum Wissen ohne Inspiration kaum wirkt

2.1 Lernpsychologie: Tiefenlernen vs. Oberflächenlernen

In der Lernforschung unterscheidet man grob zwei Modi:

  • Oberflächenlernen: auswendig lernen für die Prüfung, ohne inneren Bezug.
  • Tiefenlernen: Inhalte werden mit eigenen Erfahrungen, Fragen, Problemen verknüpft.

Oberflächenlernen entsteht typischerweise, wenn:

  • Ziele extern sind (Note, Zertifikat),
  • der Stoff bedeutungslos wirkt,
  • die Lernumgebung auf Kontrolle statt Neugier ausgerichtet ist.

Dann wird zwar kurzfristig Leistung gezeigt, aber:

  • Transfer auf neue Situationen bleibt aus.
  • Wissen kann nicht kreativ kombiniert werden.
  • Bei komplexen Problemen greifen Menschen auf simple Rezepte zurück.

Schließmann beschreibt genau das als Wurzel vieler Wirtschafts- und Managementkrisen: Hochqualifizierte Entscheider, die Komplexität nicht wirklich verstanden haben, sondern nur mit Tools und Kennzahlen arbeiten – und dann in Komplexitätsfallen geraten.

2.2 Emotion & Bedeutung als Gatekeeper des Gehirns

Das Gehirn filtert brutal:

  • Was keinen emotionalen oder sinnhaften „Hook“ hat, wird kaum langfristig gespeichert.
  • Neugier, Staunen, Betroffenheit öffnen das Fenster für plastische Veränderung.

Inspiration ist genau dieser „Hook“:

  • Eine inspirierende Lehrperson, Geschichte oder Vision markiert Wissen als wichtig.
  • Komplexe Inhalte werden eher verarbeitet, wenn sie mit persönlichen Zielen verknüpft sind.

Ohne diesen Haken wird Education schnell zur Informationsverwal­tung – beeindruckende PowerPoints, leere Köpfe.

3. Die „Bildungskrise“ als Innovationsbremse

Schließmann nennt die Finanz- und Wirtschaftskrise explizit auch eine Bildungskrise:

„Im Kern fehlte und fehlt es unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem an der Kernkompetenz und Kultur, komplexe Systeme zu verstehen und damit umzugehen. Diese werden weder an den Universitäten gelehrt noch in der Praxis generell und nachhaltig vorgelebt und trainiert.“

Stattdessen wurden:

  • Kennzahlen- und Shareholder-Value-Logiken ideologisiert,
  • Tools und Modelle unkritisch angewendet,
  • moralischer Kompass und systemisches Denken vernachlässigt.

Das ist Education ohne Inspiration im negativen Sinn:

  • Viel Fachwissen, kaum reflektierter Sinn.
  • Analytische Schärfe, aber geringe intuitive, systemische Urteilskraft.
  • Fokus auf „Was geht maximal?“ statt „Was ist legitim und langfristig lebensfähig?“.

Konsequenz: Hochgebildete Akteure optimieren Systeme bis zum Bruch, weil ihnen der inspirierte Blick für Lebensfähigkeit im System fehlt – also die dritte Achse im Strategie-Würfel: Viability im relevanten System, neben Marktposition und Profitabilität.

4. Inspiration als Brücke zur Innovation in komplexen Systemen

4.1 Komplexität als Voraussetzung von Innovation

Schließmann macht eine spannende, oft vergessene Beobachtung:

Komplexität ist keine reine Bedrohung, sondern die Voraussetzung für Innovation. Ohne Vielfalt, Entropie, Unvorhersehbarkeit keine Neukombinationen, keine Evolution.

Aber: Hohe Komplexität überfordert lineares, rein rationales Denken. Was braucht man dann?

  • Systemisches Denken (Interdependenzen).
  • Intuition als verdichtetes Erfahrungswissen.
  • Mut zum „Sowohl-als-auch“ statt nur „Entweder-oder“.

Inspiration ist der psychologische „Energieboost“, der Menschen überhaupt bereit macht,

  • Ambiguität auszuhalten,
  • Komplexität nicht nur zu reduzieren, sondern fruchtbar zu nutzen,
  • eigene Komfortzonen (und Denkmuster) zu verlassen.

4.2 Intuition & Inspiration im Leadership

In komplexen, riskanten Systemen (z.B. Unternehmen, Märkte) ist Führung ohne Intuition kaum möglich. Schließmann beschreibt:

  • Leader müssen unter Unsicherheit entscheiden, mit zu vielen und widersprüchlichen Infos.
  • Klassische, rein analytische Programme führen oft zu Paralyse: mehr Daten, mehr Modelle, weniger Klarheit.
  • Intuition wirkt dann als innerer Autopilot, gespeist aus Erfahrung, unbewusstem Mustererkennen und – ganz wichtig – emotional aufgeladenen Lernmomenten.

Inspiration ist der Startpunkt, an dem:

  1. Emotionale und wertebezogene Lerninhalte verankert werden (was ist mir wichtig?).
  2. Neugierige Exploration von Neuem möglich wird.
  3. Aus Wissen Heuristiken („Faustregeln“) entstehen, mit denen man schnell und dennoch klug handelt.

Ohne diese inspirierte, intuitive Ebene bleibt Führung kalt, mechanisch – und in komplexen Umfeldern oft gefährlich daneben.

5. Wie Inspiration in Bildungsprozessen konkret aussieht

Damit die These nicht abstrakt bleibt: Was wäre „inspirierende“ Education – in Schule, Hochschule, Unternehmen?

5.1 Sinnorientierung statt Stoffverwaltung

  • Start nicht mit „Heute lernen wir Paragraph X / Formel Y“, sondern mit relevanten Fragen:
    • Welches Problem in der Welt / im Unternehmen adressiert das?
    • Welche Konsequenz hat es, wenn ich das nicht verstehe?
  • Verbindung zu Lebensfähigkeit im System:
    • Wie hilft mir dieses Wissen, in meinem relevanten System (Branche, Gesellschaft, Ökologie) nachhaltig zu handeln?

5.2 Geschichten & Bilder

Die Geschichte vom königlichen Bogenschützen und dem „Narren“, der erst schießt und dann die Zielscheibe malt, verdichtet komplexe Einsichten über Präzision, Unsicherheit und Perfektionismus auf eine Weise, die kognitiv und emotional hängenbleibt.

Solche Narrative:

  • machen Komplexität anschaulich,
  • bieten Identifikationsfiguren,
  • laden zum Nachdenken über das eigene Handeln ein.

5.3 Autonomie & Mitgestaltung

Selbstbestimmungsforschung (Deci/Ryan) zeigt: Menschen sind am motiviertesten, wenn drei Bedürfnisse erfüllt sind:

  1. Autonomie – ich kann mitgestalten.
  2. Kompetenz – ich erlebe Fortschritt.
  3. Verbundenheit – ich gehöre dazu.

Inspiration in der Bildung heißt daher:

  • nicht nur Inhalte vorsetzen, sondern Fragen erlauben, Projekte zulassen,
  • Lernende als aktive Systemgestalter ansprechen, nicht als passive Empfänger.

5.4 Resonanz & Beziehung

Lehrende sind nicht Wissensautomaten, sondern Resonanzkörper:

  • Wer selbst für sein Fach brennt, steckt an.
  • Wer die Existenzfragen dahinter sieht (Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Lebensfähigkeit), kann diese Funken weitergeben.

Ohne diese Beziehungsebene bleibt Education trockene Übermittlung – formal korrekt, praktisch wirkungslos.

6. Wenn Education ohne Inspiration bleibt – was passiert?

Drei typische Folgen:

  1. Instrumentalisierte Intelligenz
    Menschen lernen Tools, Kennzahlen, Modelle – und wenden sie ohne inneren Kompass an.
    → „Wir tun zwar etwas Falsches, aber hochpräzise“, wie Schließmann die Rating-Logik kritisiert.
  2. Komplexitätsvermeidung
    Ohne inspirierte Neugier ist Komplexität nur Bedrohung. Dann wird:
    • radikal vereinfacht,
    • auf kurzfristige Kennzahlen, Rankings, Ratings geschielt,
    • langfristige Lebensfähigkeit geopfert.
  3. Innovationsattrappen
    „Innovation“ degeneriert zu:
    • kosmetischen Produktvarianten,
    • Marketinggags,
    • oder blindem Aktionismus („Agilität ohne Robustheit“).

Das ist Education als reine Effizienzsteigerung, nicht als Entwicklung von Menschen, die mit einer komplexen Welt verantwortlich umgehen können.

7. Synthese: Warum Education Inspiration braucht, um zu Innovation zu führen

Die These „Education without inspiration is nothing“ lässt sich fundiert so argumentieren:

  1. Lernen ist immer auch emotional und sinnbezogen.
    Ohne Inspiration bleiben Inhalte oberflächlich, werden nicht in tiefe Wissensnetze integriert.
  2. Komplexe Probleme erfordern mehr als Faktenwissen.
    Sie verlangen Intuition, Werteorientierung, systemisches Denken – alles Dinge, die nur über inspirierte Bildungsprozesse wachsen.
  3. Innovation ist angewandte, inspirierte Bildung.
    Sie entsteht dort, wo Menschen:
    • viel wissen,
    • sich für etwas begeistern,
    • sich als aktive Gestalter eines Systems erleben,
    • und bereit sind, Komplexität auszuhalten und kreativ zu nutzen.
  4. Lebensfähigkeit im System (dritte Achse des Strategie-Würfels) wird damit zur eigentlichen Zielgröße von Bildung:
    Nicht nur Marktstärke und Profitabilität (die beiden anderen Achsen), sondern die Fähigkeit, in einem komplexen Umfeld langfristig innovativ und verantwortungsvoll zu überleben.

8. Kurzes Fazit in einem Bild

Man kann sich Education wie einen dreiteiligen Motor vorstellen:

  1. Wissen – Zylinder, Kolben, Mechanik.
  2. Inspiration – Treibstoff und Zündfunke.
  3. Innovation – die tatsächliche Bewegung des Fahrzeugs im realen Gelände.

Ohne Zündfunken bleibt selbst der perfekteste Motor still.
Oder anders gesagt:

Inspiration ist der Transformator, der Bildung aus dem Zustand „Wissenslager“ in den Zustand „wirksame Innovation im System“ überführt.